KREISVERBAND BRAUNSCHWEIG
Goslarsche Str. 20a, 38118 BS
0531 896456
kv@falken-bs.de

Zur Situation von Frauen in der Coronakrise

Zur Situation von Frauen in der Coronakrise

Nicht alle Menschen sind gleich von dem Virus betroffen. Von vielen Problemen sind Frauen in sehr spezifischer Weise betroffen.

Frauen in der Covid-19-Pandemie

Original: https://www.wir-falken.de/aktuelles/meldungen/10827068.html

Dass das Virus unterschiedslos alle Menschen befällt, bei denen sich die Gelegenheit bietet, ist unbestritten. Allerdings sind nicht alle Menschen gleich von ihm betroffen. Die Möglichkeiten, sich zu schützen, hängen sehr mit den Vorbedingungen zusammen, unter denen wir in der kapitalistisch-patriarchalen Gesellschaft jeweils leben. Auch die Konsequenzen, die diese gesundheitliche und ökonomische Krise langfristig für uns haben wird, hängen stark mit unserer Stellung in dieser Gesellschaft zusammen. Insgesamt verschärft die Krisensituation, in der wir uns befinden, die bestehenden gesellschaftlichen Unterschiede, anstatt sie abzuschaffen. So wird die Krise sowie das am Sonntag verkündete „umfassende Kontaktverbot” (bis hin zu Ausgangssperren wie in Sachsen und Bayern) zu einigen Problemen führen, die ganz speziell Frauen betreffen:

Frauen in Krankenhaus und Einzelhandel sind besonders beansprucht und gefährdet

Die ökonomische Abhängigkeit von einem Job nimmt die Möglichkeit, sich selbst vor der Krankheit schützen zu können. Dies betrifft momentan Berufsgruppen, die als systemrelevant eingestuft werden. Pfleger*innen, Supermarkt-Kassierer*innen und Kinderbetreuer*innen – schlecht bezahlte Berufe, in denen vornehmlich Frauen tätig sind – sind unter verschärften Bedingungen weiterhin auszuführen. Die Beschäftigten haben nicht die Wahl, ob sie für die Allgemeinheit ihre Gesundheit aufs Spiel setzen wollen, sondern werden zur Solidarität zwangsverpflichtet. Ihr Infektionsrisiko ist durch den Kontakt mit Kund*innen, Patient*innen und Kindern enorm erhöht. Klatsch-Aktionen und Dankesreden mögen nett gemeint sein, aber verbessern weder miese Arbeitsbedingungen, noch bezahlen sie die Rechnungen am Ende des Monats.

Frauen müssen die Last der Kinderbetreuung und der Pflege von Alten und Kranken schultern

Frauen werden vermehrt ausbaden müssen, dass viele Angebote des Sozialstaats in der Corona-Krise ausgesetzt werden: Wer sich Statistiken zur Arbeitsaufteilung in heterosexuellen Paarbeziehungen anschaut, kann begründet vermuten, dass die nun privat zu organisierende Kinderbetreuung sowie sonstige Care-Tätigkeiten wie Putzen und Kochen vornehmlich von Frauen bewältigt werden. Hinzu kommt die prekäre Lage von pflegenden Angehörigen, ein unterbelichteter Bereich der häuslichen Arbeit, der ebenfalls mehrheitlich unbezahlt von Frauen ausgeübt wird: In der derzeitigen Lage dürfen sie Alten und Kranken eigentlich nicht mehr nahe kommen, um diese zu schützen, gleichzeitig muss deren Pflege organisiert werden und das neben all den zusätzlichen Belastungen.

Frauen sind besonders von Arbeitslosigkeit bedroht

Arbeiten im Kapitalismus ist scheiße, aber keine Arbeit zu haben, noch mehr: Kündigungen und Ausfälle der Jobs, die nicht „systemrelevant” sind – selbstständige Künstler*innen oder eher weiblich besetzte Jobs in der Gastronomie und Hotelbranche – werden nun weggekürzt und bringen viele Menschen und dabei besonders Frauen in finanzielle Not. Viele Sexarbeiter*innen, die in den Bordellen, in denen sie arbeiteten, auch eine Unterkunft hatten, sind bereits obdachlos geworden und stehen jetzt vor dem Nichts. Wir werden sehen, wie viele Menschen zum Anfang des nächsten und übernächsten Monats ihre Miete nicht mehr bezahlen können. Der angekündigte Kündigungsschutz der Mieter*innen wegen Einkommensausfall aufgrund der Covid-19-Pandemie bedeutet jedenfalls keine Aufhebung der Miete, sondern würde nach jetzigem Stand von den Betroffenen fordern, dass sie ihre Miete zu einem späteren Zeitpunkt zahlen – für Geringverdienende, unter denen vermehrt Frauen sind, eine enorme Belastung.

Frauen und Kinder sind vermehrt von männlicher Gewalt betroffen

Wir wissen aus Ländern, in denen die Isolierungsmaßnahmen früher eingesetzt haben, sowie aus früheren Krisen, dass Männer in Isolationssituationen wie dieser vermehrt Gewalt gegen Frauen und Kinder ausüben. Zu Hause zu bleiben stellt daher eine große Gefahr für die Betroffenen dar. Es darf nicht sein, dass Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, durch den Corona-Lockdown dazu gezwungen werden, bei einem gewalttätigen Partner zu bleiben. Sogar für ein paar Tage zu einer Freundin zu ziehen, um sich zu schützen, verstößt aktuell gegen das „umfassende Kontaktverbot”. Die Frauenhäuser wiederum sind bereits bis zum Anschlag gefüllt, da es ohnehin schon in vielen Städten zu wenige Plätze gibt.

Unklare Perspektiven

Die Corona-Krise betrifft alle, aber sie trifft uns unterschiedlich. Aus der jetzigen Krise werden die gesellschaftlich Schwächsten noch geschwächter herauskommen, es sei denn wir ergreifen Maßnahmen nicht nur gegen die Ausbreitung des Corona-Virus, sondern tun uns auch zusammen gegen die sozialen Herausforderungen, die damit in Verbindung stehen. Jetzt gilt es, die Geschehnisse wachsam zu verfolgen, sich über die Balkone und Social Media hinweg zu vernetzen und die drohenden Angriffe auf unsere Lebensverhältnisse zu antizipieren und abzuwehren.