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Postwachstumsideologie als Alltagsreligion und Distinktionsbedürfnis – zwischen Schuldgefühl und moralischer Überlegenheit – Vortrag und Diskussion mit Mathias Beschorner

Postwachstumsideologie als Alltagsreligion und Distinktionsbedürfnis – zwischen Schuldgefühl und moralischer Überlegenheit – Vortrag und Diskussion mit Mathias Beschorner

Datum/Zeit
Date(s) - 25/03/2020
18:00 - 20:00


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Im Vortrag wird die Postwachstumsideologie ideologiekritisch betrachtet und verdeutlicht, warum das Diktum vom Schrumpfen der Produktion hinter kapitalistische Vergesellschaftung zurückfällt. Zugleich wird gezeigt, dass sich darin ein Distinktionsbedürfnis gegenüber den arbeitenden Klassen äußert und hohe Anschlussfähigkeit für die politische Rechte besteht. Postwachstumstheoretiker wie Niko Paech sind in Wissenschaft und Politik breit vernetzt und auch in linken Kreisen beliebt. Die ‚große Transformation‘ ist aber nicht bloß Expertenaufgabe, sie bedarf einer Kulturrevolution von unten und einem neuen Menschenbild. Die angesprochenen Subjekte sehen sich mit einer Melange aus Verzichtsethik und malthusianischer Übervölkerungsfantasie konfrontiert, scheinen jedoch gern bereit die abgeleiteten Forderungen individualistisch, als sinnstiftende Alltagsreligion für den Hausgebrauch praktisch werden zu lassen. So erfahren sie die vermeintliche Wirkmächtigkeit ihrer Überzeugungen gemäß einer wohlfeilen Konsumkritik beim morgendlichen FairTrade-Kaffee – in einem Wechselspiel aus Schuldgefühl und moralischer Überlegenheit.

Eine materialistische Perspektive muss sich dem Problem der ökologischen Krise annehmen und nach Antworten suchen, wie eine postkapitalistische Vergesellschaftung sich der Produktivkräfte und Automation sowie Massenproduktion bedienen könnte, ohne den Planeten zu zerstören. Hinsichtlich der Postwachstumsideologie gilt jedoch das Diktum Theodor W. Adornos: Ist „das Falsche, einmal bestimmt erkannt und präzisiert, [ist es] bereits Index des Richtigen, Besseren“.

Zum Referenten:
Mathias Beschorner ist Historiker und freier Autor. Er schreibt für die Versorgerin, das Soziologie-magazin und das Distanz-Magazin. Er lebt in Leipzig und referiert zu den Themen Postwachstums-ideologie und Polyamorie. Gemeinsam mit Konstantin Nowotny und Jennifer Stevens arbeitet er derzeit an einem Sammelband zur romantischen Liebe, offenen Beziehungen und der Polyamorie.